Betrachtungen von Prof. Dr. Uwe Zimmermann zur Mobilitätswende
Die Elektromobilität ist zurzeit Gegenstand vieler Diskussionen. Bedauerlicher Weise sind diese in der Regel nicht faktenbasiert, sondern ideologisch geprägt.
Die Tatsache, dass weder über die Herkunft des Stromes für die zukünftig elektrisch angetriebenen Fahrzeuge noch über die tatsächlichen Kosten ausreichend diskutiert wird, zeigt, dass hier die gleichen Fehler gemacht werden, wie in vielen anderen Bereichen der sogenannten Energie- und Mobilitätswende. Voraussetzungen, Folgen und Kosten werden ausgeblendet oder schöngeredet, frei nach dem Motto „machen wir es erst einmal, gerechnet und abgewogen wird später“. In diesem Beitrag sollen einige Aspekte der Elektromobilität erörtert werden, die bisher in der öffentlichen Diskussion viel zu kurz kommen oder sogar vollständig ausgeklammert werden.
Strom statt Mineralöl – was ist mit den Steuern?
Von folgendem Szenario wird ausgegangen: Alle mit Benzin und Diesel angetriebenen Fahrzeuge seien durch Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb ersetzt. Die ehemalige Mineralölsteuer auf Benzin und Diesel, heute die Energiesteuer, muss dann durch eine entsprechende Steuer auf Strom für Elektrofahrzeuge gedeckt werden, wenn der Bund nicht auf das sehr hohe Steueraufkommen verzichten will. Die Umstellung von Benzin- und Dieselfahrzeugen auf Elektrofahrzeuge wird viele Jahre in Anspruch nehmen. Daher werden die notwendigen Umstellungen von Steuern und Infrastruktur entsprechend lange dauern, aber sie müssen erfolgen. Der zeitlich veränderliche Prozess der Umstellung selber, wodurch Friktionen und Kosten entstehen, wird hier nicht betrachtet.
Der im Jahr 2025 zu erwartende Jahresverbrauch von Diesel in Höhe von ca. 26 Millionen Tonnen und Benzin in Höhe von ca. 13,6 Millionen Tonnen entspricht einer Energie von 1,69 ExaJoule. Ausgehend von einem Wirkungsgrad von 30% für Diesel- und Benzin-Fahrzeuge, müssten bei gleicher Fahrleistung für Elektrofahrzeuge ca. 140 TWh an elektrischer Energie jährlich zur Verfügung gestellt werden. Zum Vergleich: der gesamte Stromverbrauch in Deutschland beträgt derzeit ca. 512 TWh.
Die Energiesteuer auf Benzin und Diesel in Höhe von 31 Mrd. € jährlich müssten dann bei einer aufkommensneutralen Umrechnung auf den Stromverbrauch von Elektrofahrzeugen zu einer zusätzlichen Energiesteuer auf Strom führen. Die Stromkosten für Elektrofahrzeuge müssen dann um 22 Ct/kWh steigen. Bei einem Strompreis für einen Haushalt in Höhe von 35 Ct/kWh müsste der Fahrzeugbesitzer für die Stromladung 57 Ct/kWh zahlen, wenn nur er belastet würde und nicht der allgemeine Stromkunde. Allerdings müssten dann die Stromladestationen und die Fahrzeuge technisch so ausgerüstet sein, dass der Ladevorgang steuerlich richtig abgerechnet werden kann. Wenn das politisch nicht gewollt ist, müssten die zusätzlichen Steuern auf alle Stromverbraucher umgelegt werden.
Die Politik bestellt, der Bürger zahlt die Zeche
An dieser Stelle gibt es schon den ersten Konflikt zwischen dem allgemeinen Stromverbraucher und dem Fahrzeugnutzer. Es muss grundsätzlich geklärt werden, auf welche Art und Weise die Stromnutzung von Fahrzeugen besteuert wird und wie die Kosten aufzuteilen sind. Was es heißt, die Bürger einfach in eine Richtung zu schicken und erst danach, wenn Fakten geschaffen sind, die Rechnung zu präsentieren, haben wir nicht nur bei der Energiewende leidvoll erfahren müssen. Mit dieser unseriösen Vorgehensweise muss Schluss sein. Die steuerlichen Aspekte der Umstellung auf Elektromobilität müssen jetzt angesprochen, diskutiert und entschieden werden.
Noch mehr Netze, noch mehr Kosten
Ein weiteres großes Feld stellt die Infrastruktur des Stromnetzes und der Stromerzeugung dar. Es ist doch klar, dass für den Ausbau des Stromnetzes für Schnellladestationen erhebliche Kosten zu decken sind. Auch hier ist eine Bedarfsanalyse erforderlich. Uns allen schwebt ein Bild von Tankstellen an Autobahnen in der Urlaubszeit vor, vor denen sich sehr lange Schlangen zum Tanken bilden. Und das bei Fahrzeugen, die sich innerhalb von 2 Minuten auftanken lassen. Die Probleme des Netzausbaus, die durch die Energiewende jetzt schon bestehen, werden durch die Umstellung auf Elektromobilität vervielfacht werden.
Grüner Irrglaube: Der Strom kommt unmittelbar aus der Steckdose
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Stromerzeugung. Der oben angegebene Energiebedarf von 140 TWh erfordert einen erheblichen Ausbau an Kraftwerkskapazitäten. Da sich ein Fahrzeughalter sicherlich nicht von einer zentralen Planungsbehörde vorschreiben lassen möchte, wann er sein Fahrzeug laden darf und wann nicht, werden die Lastspitzen gegenüber dem heutigen Stand weiter zunehmen. Es wird daher einen erheblichen zusätzlichen Bedarf an Spitzenlastkraftwerken geben. Es ist eine Binsenweisheit, dass Windkraftanlagen nur dann Strom liefern, wenn Wind vorhanden ist. Die durchschnittliche Verfügbarkeit von Windkraftanlagen bei Nennleistung beträgt 15 %. Es wird daher recht schwierig werden, einen Fahrzeughalter zum Laden des Fahrzeugs auf das nächste Windaufkommen zu vertrösten. Entsprechendes gilt für Photovoltaikanlagen, die systembedingt vom Sonnenschein abhängen. Grundlastkraftwerke wie Kern- oder Kohlekraftwerke sind zur Abdeckung von Spitzenlast ebenfalls nicht geeignet. Als Spitzenlastkraftwerke eignen sich Gasturbinenkraftwerke, die allerdings im Betrieb sehr teuer sind. Damit sind weitere Strompreiserhöhungen sichergestellt.
Für die Umstellung auf Elektromobilität fehlen die Kraftwerke
Um die Größenordnung für den zusätzlichen Strombedarf zu veranschaulichen, wird von folgendem Szenario ausgegangen: Die Probleme von Grundlast und Spitzenlast werden nicht berücksichtigt und es stehen Stromspeicher in ausreichendem Maßstab zur Verfügung, obwohl es sie heute noch nicht gibt. Ein Kernkraftwerk mit einem Block hat eine Leistung von 1300 MW, ein Kohlekraftwerk hat 650 MW und eine Windkraftanlage hat 4MW und eine Verfügbarkeit von 15% der Nennleistung. Zur Deckung des zusätzlichen Strombedarf müssten dann entweder 12 Kernkraftwerke oder oder 25 Kohlekraftwerke oder 26780 Windkraftanlagen gebaut werden.
Unabhängig von der Frage ob solche Kraftwerke erwünscht sind oder ob man die Landschaft mit weiteren Windkraftanlagen zubauen möchte, steht die Frage im Raum, wie der zusätzliche Strombedarf gedeckt werden soll. Die bisherige dilettantisch ausgeführte sogenannte Energiewende zeigt, dass sie schon ungeheure Probleme und Verzögerungen im Netzausbau und dramatischen Strompreissteigerung zur Folge hat. Bevor die Politik blind, ohne vorausschauende Planung unsere Energiewirtschaft vollends ruiniert, sind die oben aufgeworfenen Fragestellungen zu klären und zu lösen.