Ein Kommentar unseres Vorsitzenden Jürgen Joost.
Am 23. Februar wird vorzeitig der neue Bundestag gewählt.
Eine vorgezogene Neuwahl nach gescheiterter Vertrauensfrage stellt „nicht etablierte“ Parteien, zu denen auch WIR BÜRGER gehören, vor enorme Herausforderungen. „Etabliert“ bedeutet nach Bundeswahlgesetz, dass eine Partei am Tag der Zulassung aus eigener Kraft dauerhaft durch fünf Abgeordnete im Bundestag oder einem Landesparlament vertreten ist. In diesem Fall muss man keine Unterstützungsunterschriften sammeln.
Die Schwierigkeiten für „nicht etablierte“ Parteien bestehen bei einer vorgezogenen Neuwahl weniger in den rein formalen Prozessen der Aufstellungsversammlungen. Diese werden voraussichtlich per Verordnung halbiert und sollten mit eigenen verkürzten Ladungsfristen problemlos durchgeführt werden können. Dies für alle Parteien gleich.
Unterstützungsunterschriften
Die mit Abstand größte Herausforderung besteht vielmehr darin, in extrem kurzer Zeit die für die Zulassung der Landeslisten benötigten Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Um flächendeckend in ganz Deutschland antreten zu können, wären dazu insgesamt 27.328 beglaubigte Unterschriften nötig, die zudem für jede Landesliste gesondert gesammelt werden müssten (in den meisten Bundesländern genau 2.000, bei kleineren Ländern 1 Promille der Wahlberechtigten, siehe Tabelle hier).
Das ist schon unter „normalen“ Voraussetzungen extrem schwierig, kostet Kraft und Ressourcen und blockiert gleichzeitig die Vorbereitung auf den Wahlkampf selbst. Unter den Bedingungen einer kurzfristig vorgezogenen Neuwahl ist es zumindest für unsere Partei so gut wie unmöglich.
Während die Fristen gekürzt werden müssen, kann die Zahl der geforderten Unterstützungsunterschriften mit höchstrichterlicher Billigung beibehalten werden. Zwar könnte die Innenministerin auch diese Zahlen im konkreten Fall per Verordnung halbieren oder, wie 2021 wegen Corona, auf 25 % reduzieren. Wie wir aber wissen, ist zusätzlicher Wettbewerb seitens der etablierten Parteien generell nicht erwünscht. Aus diesem Grund ist bei WIR BÜRGER die Entscheidung noch nicht gefallen, ob, in welchem Umfang und unter Einsatz welcher Ressourcen wir tatsächlich zur Bundestagswahl antreten können und wollen.
Digitale Steinzeit
Der größte Anachronismus ist die Forderung, dass „nicht etablierte“ Parteien die Unterstützungsunterschriften auf Papierformularen physisch sammeln und diese unterschriebenen Formulare anschließend bei dem für den Wohnsitz des Unterzeichners zuständigen Einwohnermeldeamt beglaubigen lassen müssen. Alleine hier haben wir in der Vergangenheit mit Hin- und Rücksendung bereits Bearbeitungs- bzw. Laufzeiten von bis zu vier Wochen erleiden müssen. Hinzu kommt, dass das Sammeln von Unterstützungsunterschriften bei nasskaltem Winterwetter um ein Vielfaches schwieriger ist als im Sommerhalbjahr.
Das alles ist 20., aber nicht 21. Jahrhundert. Unsere ganz konkrete Forderung ist, dass zukünftig alternativ die Möglichkeit geschaffen wird, Unterstützungsunterschriften mittels elektronischer Signatur auch digital abgeben zu können. Dies würde nicht nur den Aufwand für die betroffenen Parteien dramatisch verringern, sondern auch die Einwohnermeldeämter enorm entlasten.
Aber unabhängig von dieser enormen Benachteiligung auch für WIR BÜRGER:
Das Land ist wichtiger als jede einzelne Partei.
Deutschland befindet sich in einer schweren strukturellen Krise. Der Wirtschaftsstandort und damit der Wohlstand sind extrem gefährdet, verbunden mit einer drohenden Abwärtsspirale. Zusammen mit der äußerst instabilen Weltlage können wir uns kein Machtvakuum leisten, jeder Tag ist einer zu viel. Die Bildung einer neuen, handlungsfähigen Regierung nach schnellstmöglichen Neuwahlen ist das Gebot der Stunde. Dahinter müssen alle Bedenken und alle berechtigte Klagen über eigene Benachteiligungen zurücktreten.