Ein Kommentar von Jürgen Joost zum Europawahl-Ergebnis
Die Union feiert sich als Sieger der Europawahl: Die CDU hat 1,1 Prozentpunkte hinzugewonnen und ist auf 23,7 % gestiegen. Die CSU verharrt bei 6,3 %, zusammen also 30 %.
Die Ampel stürzt ab, aber die Union dümpelt dahin
Wie bitte? Wir erleben die schlechteste Regierungskoalition in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, schlechter noch als die diversen Merkel-Regierungskatastrophen. Die Koalitionsparteien stürzen insgesamt um 10,7 Prozentpunkte ab und die größte Oppositionsgruppierung gewinnt lächerliche 1,1 Prozentpunkte hinzu? Das ist kein Wahlsieg, sondern ein Wahldesaster.
Es ist die verdiente Quittung für einen politischen Zwitter, der sich nicht entscheiden kann, ob er eher mitte-rechts (Merz/Linnemann) oder doch lieber mitte-links (Wüst/Günther) sein will. Als Autofahrer weiß man es: Wenn es rechts und links gleichzeitig blinkt, ist es die Warnblinkanlage.
Drei Dinge braucht die Union: Korsettstangen, Wettbewerb und Feuer unterm Hintern.
Mit CDU und CSU gewinnt Deutschland keinen Blumentopf – es sei denn, die Wähler stellen ihr einen bürgerlichen Wettbewerber zur Seite, der der Union die notwendigen Korsettstangen einzieht, um das von Merkel herausoperierte Rückgrat zumindest ansatzweise zu ersetzen, und gleichzeitig Feuer unterm Parteiallerwertesten macht, um die Lethargie und Herumgedümpel zu beenden oder die Union mittel- und langfristig ganz abzulösen.
Es wird keine politische Wende in einer unionsgeführten Koalition mit Beteiligung von Rot und/oder Grün geben. Ich verrate kein Geheimnis: Selbst eine Union mit absoluter Mehrheit – die es nicht geben wird – wäre so kraft- und saftlos und hin- und hergerissen zwischen der strukturellen Mehrheit der Merkelianer und der strukturellen Minderheit der Merzianer, dass sie ohne den Stachel eines bürgerlichen Konkurrenten in Selbstgefälligkeit, Trägheit und Tatenlosigkeit versinken und dahinschnarchen würde. Wettbewerb ist es, was bekanntlich das Geschäft belebt.
Ohne politische Wende erstarken die Ränder
Ohne eine grundlegende politische Wende wird der Niedergang Deutschlands und der EU nicht gestoppt werden, wird unser Wohlstand weiter schwinden, werden der Wirtschaftsstandort ausbluten, der Wohlfahrtsstaat, das Gesundheitssystem und das ohnehin notleidende Bildungswesen unbezahlbar werden. Nach der nächsten Bundestagswahl wird der Aufstieg der blauen Chaostruppe am rechten und des postkommunistischen BSW am linken Rand weitergehen, weil die Union in einer Koalition mit Rot oder Grün oder schlimmstenfalls Rot und Grün weder den Niedergang des Landes stoppen noch auch nur ansatzweise eine Trendwende schaffen wird.
Die Etablierung einer neuen bürgerlichen Kraft ist eine staatspolitische Notwendigkeit
Deshalb muss es schon aus staatspolitischer Notwendigkeit gelingen, eine neue politische Kraft zu etablieren, die bürgerliche Mehrheiten wieder denkbar macht oder zumindest als kraftvolle bürgerliche Opposition die ge- und enttäuschten Wähler durch ein konstruktives Gegenangebot auffängt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die politische Stabilität unseres Landes.
Als einzige Partei kommt dafür – insbesondere nach der angestrebten Verschmelzung mit dem liberal-konservativen Original WIR BÜRGER – das BÜNDNIS DEUTSCHLAND in Frage. Allerdings benötigt BÜNDNIS DEUTSCHLAND dafür drei Faktoren, an denen es derzeit noch mangelt: Medienpräsenz, Geld und Gesichter. Gesichter werden durch Medienpräsenz geschaffen, ebenso wird die Aufmerksamkeit von Spendern durch Medienpräsenz geweckt. Mit Geld kann man wiederum Medienpräsenz immerhin kaufen, aber dazu benötigt man nicht nur viel Geld, sondern sehr viel Geld.
„Bündnis Sarah Wagenknecht“ ist ein Geschöpf der Medien
Diese drei Faktoren musste sich das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) nicht erarbeiten, sie wurden ihm und der Namensgeberin geschenkt: Das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ ist von Anfang an eine Kreation von Medien, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Medien.
Als ÖRR-Geschöpf müssen sich das BSW und insbesondere Frau Wagenknecht in Person über Einladungen in TV-Talkrunden nicht beklagen. Der PR-Wert der öffentlich-rechtlichen Talkshow-Präsenz dürfte im unteren zweistelligen Millionenbereich liegen.
Gleichzeitig ist es ein Beweis dafür, dass im Medienzirkus Inhalte nichts zählen: das inhaltliche Angebot des Personenkults um die Altkommunistin Wagenknecht geht über die Ukraine als Opfergabe an Putin und die berechtigte Ablehnung der aktuellen Migrationspolitik kaum hinaus, ohne dass die Frage nach dem „wie“ beantwortet wird. Also im Grunde AfD in rot.
Die „Schwampel-Parteien“ zusammen nur noch bei 61 %
Sollte es der Plan gewesen sein, das BSW medial zu pushen, damit es der AfD Stimmen wegnehmen würde, so ist der Schuss nach hinten losgegangen: Die Mehrheit der 5,5 Prozent kommt von den Traditionsparteien (Schwarz plus Ampel = Schwampel), die insgesamt bei der Europawahl nur noch auf ziemlich jämmerliche 61 Prozent gekommen sind.
Nur durch diese großzügige Geburtshilfe des ÖRR ist Frau Wagenknecht übrigens der auch nur scheinbare Gegenbeweis zu meiner These, dass unter normalen Umständen nicht Gesichter Parteien bekannt machen, sondern Parteien Gesichter. Außer dem maskenhaft starren Gesicht der Frau Wagenknecht und dem medialen Personenkult um diese Putin-Wegbereiterin herrscht beim BSW eine große Leere. Es wird sich schneller abnutzen, als manche glauben.
Der erste Schritt ist getan
Das Potential für BÜNDNIS DEUTSCHLAND ist zweifellos vorhanden. Mit einem Witz-Etat von 80.000 € hat BÜNDNIS DEUTSCHLAND beim Erstantritt bei der Europawahl 167.000 Wählerstimmen erreicht. Immerhin. Ohne größere Bekanntheit. Ohne die Möglichkeit der flächendeckenden Plakatierung. Ohne die geringste Chance auf wahrnehmbare Präsenz in den klassischen Medien.
Diese 164.000 Wähler entsprechen beim Erstantritt zu einer Wahl 0,4 %, und genauso ist das Ergebnis zu werten: als der erster Schritt auf einem steinigen Weg. BÜNDNIS DEUTSCHLAND ist mit diesem Ergebnis weder Gewinner noch Verlierer. Aber das wird sich ändern:
Masterplan für den Wiederaufstieg
Durch die angestrebte Fusion mit WIR BÜRGER wird die Partei das modernste und innovativste Parteiprogramm Deutschlands erhalten. Es ist der Masterplan für den Wiederaufstieg unseres Landes, inklusive des Reformkonzepts SAFE für Steuern, Sozialstaat und Familien sowie des klimapolitischen Ansatzes „2 Grad ohne Staat“.
Liberal-konservative Renaissance
Liberal-konservative Politik war der Motor der Erfolgsgeschichte Bundesrepublik Deutschland. Um den Wiederaufstieg einzuleiten, bedarf es einer liberal-konservativen Renaissance. Dazu muss die unselige Zersplitterung des liberal-konservativen Parteienangebots überwunden werden.
Das Zusammengehen von WIR BÜRGER als „Denkfabrik mit Parteienstatus“ mit dem jungen und dynamischen BÜNDNIS DEUTSCHLAND ist das erste Signal für den neuen freiheitlich-konservativen Aufbruch. Wem es um Deutschland geht, der schließe sich an. Wer sich selbst wichtiger nimmt als die Sache, der möge zurückbleiben. Die Zeit ist zu ernst und Deutschland zu wichtig, um Scheinriesen und Selbstdarstellern das Feld zu überlassen, denen das eigene Ego wichtiger ist als unser Land.
Das bürgerliche Versprechen erneuern
Das letzte, was Deutschland braucht, ist ein zusätzlicher AfD/BSW-Klon. Nötig ist vielmehr eine Partei, die es mit klarem freiheitlich-konservativen Kompass einfach besser macht als die drei zerbröselnden bürgerlichen Traditionsparteien CDU, CSU und FDP, die durch ihr Regierungsverhalten das bürgerliche Versprechen von Wohlstand in Frieden und Freiheit gebrochen haben. Dieses große bürgerliche Versprechen müssen wir erneuern und seine Einhaltung zum Maßstab jeder politischen Entscheidung machen.
Um unserer Demokratie willen: Lasst endlich die freiheitlich konservative Alternative zur Union zu!
Solange man jedoch medial und politisch keine konservative Alternative zu CDU und CSU zulässt, wird das Stimmpotential der AfD wie auch des Medienprodukts BSW weiter anwachsen, zum Schaden von Demokratie, Freiheit, Wohlstand und gesellschaftlichen Frieden.
Wir leben inzwischen in einer Medienwelt, in der Inhalte, Ideen und politische Zukunftsvisionen keinen Platz mehr finden. Gedankengänge oder gar Nachdenken haben keinen Raum in einer von Schnelligkeit und dem Haschen nach Klicks und Reichweiten dominierten Medienlandschaft.
Der Diskurs wird auf den Austausch von Fragmenten reduziert, aber auch dort sind die zugelassenen Teilnehmer gefiltert. Denkfaulheit und ein faktischer, aber durch nichts legitimierter informeller medialer Wächterrat entscheiden, was in Deutschland „stattfindet“ und was nicht.
Um nicht missverstanden zu werden: es handelt sich um keine Organisation, sondern um gedankliche Gleichheit Entscheider-Elite, die das große Wort für „Vielfalt“ und „Diversität“ führen, aber in der Realität nur so viel Vielfalt und Diversität zulassen, wie es mit ihren eigenen Weltanschauungen und Parteipräferenzen kompatibel ist.
Schluss mit der Dämonisierung der demokratischen Rechten
Wer als Journalist oder Politiker alle politischen Ansätze jenseits von rot-grün oder dem grüngefärbten Teil der Union völlig faktenbefreit als „AfD-nah“, als „rechts“ im Sinne von „rechtsaußen“ oder als „neo“-, „post“- oder sonst wie „faschistisch“ bezeichnet, der betreibt in der Besessenheit, sein gerade verkümmerndes eigenes rot-grünes Biotop zu pflegen, in Wahrheit das Geschäft der AfD.
Wer als Journalist oder als Politiker intellektuell damit überfordert ist, zwischen der demokratischen Rechten – oder auch Mitterechts – und Rechtsaußen zu unterscheiden, der ist selbst ein aktiver Zerstörer unserer Demokratie, die retten zu wollen er lediglich vortäuscht.
Es werden neue Wege nötig sein, um diese medial verordnete Denkfaulheit aufzubrechen. Die einzige Hoffnung ist: Je verfahrener die Situation wird, desto mehr werden die Beharrungsstrukturen aufgebrochen und durch neue ersetzt. Ich selbst habe immer dafür plädiert, die Öffentlichkeit über die klassischen Medien zu suchen. Aber wenn die medialen Türsteher einen nicht durchlassen, muss man neue Wege gehen. Unser Land, unsere Freiheit und unsere Demokratie sind zu wichtig, als Resignieren eine Option sein zu lassen.
Der traurige Rest
Ich habe die weiteren Verlierer nicht vergessen: Sämtliche Ampelparteien. Eigentlich ist hier ist jedes weitere Wort eines zu viel.
Ist die AfD ein Wahlgewinner? Im Vergleich zu 2019 ja. Im Vergleich zu den Umfragehöchstwerten vor einem halben Jahr von 23 % ist sie mit 15,9 % um knapp ein Drittel abgestürzt. Wesentlicher Grund dürfte die Offenbarung des Krah-/Bystron-Sumpfes als vermutliche Spitze eines Eisbergs gewesen sein.
Auch hiervon hat übrigens die Union NICHT profitiert. Sie wird aus ihrem 30-Prozent-Käfig nicht mehr herauskommen. Um wieder bürgerliche Mehrheiten in Deutschland zu ermöglichen, muss die Etablierung einer neuen bürgerlichen und freiheitlich-konservativen Partei gelingen. Sonst gute Nacht.