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Vom Schutz für Whistleblower zum Denunzianten-Dienst?

Vom Schutz für Whistleblower zum Denunzianten-Dienst?

Bei dem Wort „Whistleblower“ denken die meisten Menschen an Julian Assange und Edward Snowden, die ihr Leben dafür eingesetzt haben, Missstände aufzudecken: Assange als Gründer und Betreiber der Plattform Wikileaks und Snowden mit seinen Enthüllungen über die geheimen Überwachungspraktiken der Geheimdienste.  

Auch die EU will Whistleblower schützen

Vor einigen Jahren hat sich die EU den Schutz der Whistleblower auf die Fahnen geschrieben und im Jahr 2019 die „EU-Whistleblowing-Richtlinie“ (EU Richtlinie 2019/1937) eingeführt, derzufolge alle privaten und öffentlichen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden verpflichtet wurden, das Hinweisgeberschutzgesetz umzusetzen. Ziel der Richtlinie war, den Schutz für Hinweisgeber zu stärken, Rechtssicherheit zu gewährleisten und effektive, vertrauliche Meldekanäle zu etablieren. Diese Richtlinie sollte auch in nationales Recht umgesetzt werden. 

In Deutschland gibt es jetzt das Hinweisgeberschutzgesetz

Die Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland fiel an die jetzige Ampelregierung. Nach einem längeren Gesetzgebungsverfahren ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) im Juli 2023 in Kraft getreten, es wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP sowie auch CDU/CSU verabschiedet. Ab dem Dezember werden Bußgelder fällig, falls bis dahin keine interne Meldestelle eingerichtet ist.

Mit dem Gesetz sollen Hinweisgeber vor negativen Konsequenzen (wie zum Beispiel eine Abmahnung, Versetzung, Kündigung o.ä.) geschützt werden, sofern sie rechtswidrige Handlungen oder Missstände in ihrem Unternehmen melden wollen. Und natürlich muss die interne Meldestelle auch so eingerichtet werden, dass Meldungen anonym abgegeben werden können. Dies soll die Hemmschwelle zur Meldung weiter reduzieren. Gerhard Strate als Streiter für den Rechtsstaat kommentiert in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW): „Wie es sich für den Musterschüler Deutschland gehört, geht das Gesetz weit über die Forderungen der EU-Richtlinie hinaus, welche sich auf Verstöße gegen das Unions-Recht beschränkte“. 

Was das Hinweisgeberschutzgesetz regelt

Das neu eingeführte HinSchG schützt nun alle Personen, die berufsbezogene Informationen über Verstöße erlangen und diese im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit melden. Der Schutz erstreckt sich auf bestimmte Verstöße, die in § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 10 HinSchG aufgeführt sind. Meldungen außerhalb dieser Katalogverstöße müssen straf- oder bußgeldbewehrt sein. Hinweisgeber müssen wählen können, ob sie ihre Informationen intern oder extern melden möchten. Es gibt Vertraulichkeitsverpflichtungen zugunsten der Hinweisgeber und der gemeldeten Personen. Das Kernstück des Gesetzes sind Schutzmaßnahmen gegen Repressalien (§§ 33 ff HinSchG), insbesondere das Verbot von Repressalien (§ 36 Abs. 1 HinSchG) mit einer Beweislastumkehr (§ 36 Abs. 2 HinSchG). Verstöße können zu Schadenersatz- und Entschädigungspflicht führen.

Ergänzend wurde auch ein Abschnitt über Äußerungen von Beamten eingefügt: Nun sollen auch Meldungen über Äußerungen von Beamten möglich sein, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen. Dies soll auch Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle erfassen, wie schriftliche oder mündliche Äußerungen sowie Gebärden.

Kritik durch zusätzliche Bürokratie für Unternehmen 

Für das Hinweisgeberschutzgesetz und die zugrunde liegende EU-Richtlinie besteht kein Anlass, der auch nur ansatzweise die von dem Gesetz ausgehenden monströsen bürokratischen Belastungen für die Wirtschaft rechtfertigen könnte. Auch nach der bisher geltenden Rechtslage konnten Hinweise von Mitarbeitern auf strafbares Handeln im Unternehmen gerechtfertigt und damit zulässig sein. 

Nunmehr werden wegen weniger in der Vergangenheit vorgekommener Einzelfälle unseren Wirtschaftsunternehmen, und hier vor allem unseren mittelständischen Unternehmen, weitere erhebliche, kostenintensive Belastungen auferlegt. Denn nun muss JEDES Unternehmen ab 50 Mitarbeitern Datenschutzprüfungen organisieren, die erforderliche Infrastruktur zur Schaffung vertraulicher Meldungen einrichten, die für die Bearbeitung der Meldungen zuständigen Vertrauenspersonen festlegen und diese schulen. Natürlich dürfen diese Personen keinem Interessenskonflikt unterliegen – in den meisten Unternehmen dürfte daher diese Aufgabe an einen externen Dienstleister übertragen werden. Selbstverständlich müssen die IT-gestützte Übermittlung von Daten auch datenschutzkonform und anonym möglich sein, es braucht Verschlüsselungen und sichere Speichermöglichkeiten. Meldungen müssen streng vertraulich bearbeitet werden. Und nicht zuletzt sind auch hier vorgegebene Löschfristen zu beachten. 

Für jedes Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern bedeutet das weitere administrative und auch finanzielle Belastungen und das alles in relativ kurzer Zeit! Unternehmen, die die Vorgaben zu den Hinweisgebersystemen nicht erfüllen, drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 EUR. Und wozu das alles? Nur auf Verdacht hin, dass es unter den Unternehmen in Deutschland ganz viele schwarze Schafe gibt, die jetzt endlich ausfindig gemacht werden müssen?

Kritik auch aus staatsrechtlicher Sicht

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Auswirkungen für die Meinungsfreiheit. Ganz allgemein lädt das Gesetz zu Missbrauch und Denunziation geradezu ein. Besonders fatal ist es aber im Hinblick auf die „Äußerungen von Beamten“: So wie das Gesetz hier formuliert ist, könnte dies – vor allem in anonymer Form vorgebracht – der Gesinnungsschnüffelei und Denunziation gegenüber Beamten sehr viel Vorschub leisten. Wie Gerhard Strate in seinem Kommentar anführt, könnte die unbedachte Frage eines Beamten in der Kantine nach einem Zigeunerschnitzel zu einer Meldung führen. 

Insgesamt ist mit der Einrichtung von 100.000 Meldestellen im Land zu rechnen, sowohl in Unternehmen als auch in Behörden und nicht zu vergessen die externen Meldestellen von Bund und Ländern. Gerhard Strate kritisiert zu Recht, „still und leise wächst so die größte Überwachungsstruktur, die es auf deutschen Boden seit dem Ende der DDR-Staatssicherheit gegeben hat“. Dabei besteht die Gefahr, dass selbst sensible Daten und Geschäftsgeheimnisse gemeldet werden könnten – eine berufliche Verschwiegenheit oder Geheimhaltungsverpflichtungen werden damit preisgegeben. 

Und was noch schlimmer ist: „Der Rechtsstaat“, so Gerhard Strate, „lebt von dem Vertrauen in die Rechtschaffenheit seiner Bürger, deren Grundprinzip die Unschuldsvermutung ist. Nunmehr wird aus ihr eine Schuldunterstellung. Unsere rechtsstaatliche Architektur wird auf den Kopf gestellt“. 

Von Abgeordneten und Medien weitgehend ignoriert

Erstaunlich an der Umsetzung der EU-Richtlinie ist, dass wieder einmal ein fragwürdiges Gesetz von Parlament und Abgeordneten ohne weiteren Widerstand abgenickt worden ist – vermutlich wirkte der Fraktionszwang zu stark – und dass sogar Medien, die als so genannte Vierte Gewalt im Staat eigentlich dem Gesetzgeber auf die Finger kucken sollten, keine große Kritik an dem Gesetz geäußert haben. 

Dazu passend hat Gerhard Strate auf ein Zitat des späteren Präsidenten der EU Kommission Jean-Claude Juncker aus dem Jahr 1999 verwiesen: 

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Jean-Claude Juncker

Wir Bürger: Gegen Bürokratismus – gegen Denunziantentum

Wir Bürger meinen, dass der Wirtschaft keine ideologisch motivierten Lasten auferlegt werden dürfen. Bürokratie ist Gift für den Wohlstand. Wir wollen, dass unsere Unternehmen, vom kleinen Handwerker bis zum international agierenden Konzern von den Fesseln befreit werden, die sie daran hindern, erfolgreich wirtschaften und so Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und schaffen zu können.

Wir Bürger treten für eine Gesellschaft in Freiheit ein, in welcher Denunziantentum keinen Platz hat. Meldestellen sind geeignet, die schlechten Seiten im Menschen zu wecken. Es ist voraussehbar, dass das Hinweisgeberschutzgesetz missbraucht werden wird, indem dem anonymen Anzeigenerstatter missliebige Mitmenschen grundlos angezeigt werden, weil er ihnen „eins auswischen möchte“.

Und noch schlimmer: Meldestellen schaffen ein gesellschaftliches Klima, in welchem jenseits des Strafbaren die Grenze des Unsagbaren besteht. Sie fördern die bereits jetzt schon die in der Bevölkerung verbreitete Angst, sich zu bestimmten Themen öffentlich zu äußern. Hierdurch wird unserer freiheitlichen Demokratie ihr Lebenselixier genommen: Die freie Meinungsäußerung. 

Wir Bürger treten uneingeschränkt für die freie Meinungsäußerung ein. Allein Strafgesetze markieren die Grenzen des Sagbaren. Die Justiz allein ist dafür zuständig, Grenzüberschreitungen zu ahnden. Denunziantentum und Meldestellen gehören ein für allemal in die Mottenkiste der deutschen Geschichte.

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